Das Thema von Revanche

Ich schwanke da immer: Geht’s um Rache? Geht’s um Versöhnung? Die Suche nach Identität? Das sind alles so Schlagwörter, die in Wirklichkeit überhaupt nichts sagen. Die ich auch nicht brauche, um meine Arbeit zu tun. Revanche ist eine Geschichte, keine bebilderte Theorie. Vielleicht geht es in all meinen Filmen um die Erforschung dessen, was das Leben ausmacht und zwar nicht fokussiert auf einen gesellschaftlichen Kontext, sondern konzentriert auf existentielle Fragen. Das ist meine Lust, meine Neugier, mein Antrieb: der Substanz des Lebens auf die Spur zu kommen, was es in der Tiefe ausmacht. Bei allen Konflikten und schmerzhaften Dingen, über die ich erzähle, steckt doch ein fundamentaler Optimismus dahinter - nämlich ein Vertrauen darin, dass  das Leben kein Irrtum ist, dass es einen Sinn in sich birgt.

Emotionen

„Revanche“ ist emotionales Kino wie alle meine Filme. Die Figuren sind auf der Suche, sind geprägt von unbewussten Gefühlen, von Liebe, Trauer, Rache, Sehnsucht, Einsamkeit, Zuneigung und Mitgefühl. Ich mag emotionales Kino, und ich verabscheue Kitsch und Sentimentalität. Das ist Manipulation, Flucht.  Gefühle stehen  nicht   im Widerspruch zu gedanklicher Klarheit und formaler Präzision.

Das Rotlichtmilieu, die Prostitution

Hinter den Kulissen der Prostitution geht es nur ums Verdienen, um den kleinen und größeren oder den ganz großen Profit. Dem wird nahezu alles untergeordnet. Genau das ist es doch, was unsere Gesellschaft ausmacht, die wir geschaffen haben, in der wir leben. Und ist auch ihr fundamentalstes Problem. Das Rotlichtmilieu ist nur ein verdichteter Abriss unserer Zivilisation. Prostituierte verkaufen ihren Körper, viele so genannte Erfolgsmenschen verkaufen ihr Gewissen. Und sind gesellschaftlich hoch angesehen. Dabei sind sie die schlimmeren Prostituierten, denn sie handeln aus Gier, nicht aus Not, missbrauchen nicht sich selbst, sondern zuerst einmal andere, die Umwelt, die Welt.

Die Natur in Revanche

Das ist mein erster Film seit langer Zeit, wo Natur eine wichtige, eine zentrale Rolle spielt. Der Wald, die Wege dort, der verborgene Teich, aber auch das Licht, das Wetter – all das sind wichtige Elemente des Filmes. „Revanche“ beginnt mit einer starken Bewegung, mit einem starken Plot und mündet immer mehr in eine Art Stille: eine kraftvolle Stille, wie ich hoffe.
Und für diese Stille hinter den Konflikten steht für mich die Natur. Nicht als Idylle, zu der man sich zur Erholung flüchtet, sondern als eine Kraft, eine Energie, die ihre eigene, souveräne Intelligenz besitzt.

Die Einsamkeit der Figuren

Einsamkeit gehört wohl untrennbar zu unserem gegenwärtigen Leben. Ich halte es dennoch für eine Illusion. Wir denken uns ständig getrennt von der Welt, und darin täuschen wir uns. Diese Trennung ist eine Fantasie, wir sind ständig und unmittelbar verwoben in vielerlei Bezüge, in ein großes Ganzes. Einsamkeit ist eine Eigenschaft von unserem beschränkten Bewusstsein, nicht vom Leben selbst.
Von außen betrachtet scheint der Alte am einsamsten von allen. Ich glaube, er ist es am wenigsten. Er hat eine klare Identität, wenn sie auch ein schwieriges äußeres Leben bedeutet. Aber es ist eine Identität. Und er hat einen Glauben. Und er hat keine Angst vor dem Tod. Er ist allein, ja. Aber einsam ist er nicht.

Der tödliche Zwischenfall/Zufall

An den Zufall glaube ich nicht. Zufall ist doch nur das, was unser Verstand nicht einordnen kann. Wir sehen immer nur Ausschnitte, nie das ganze Bild. Das ist die zentrale Herausforderung beim Erzählen: jenen einen „Zufall“, der die Geschichte in Gang setzt, so einzubetten, so zu verdichten, dass er am Ende in einem tieferen Zusammenhang steht. Die alten Mythen sind darin großes Vorbild.

Die Form von Revanche

Die Arbeit mit Martin (Gschlacht) ist sehr intuitiv, sehr präzise ohne viel Worte und Diskussion. Wir sprechen im Vorfeld wenig über Auflösung, konkrete Bilder, Technik, etc. und viel über die Geschichte, ihren verborgenen Sinn, über die formale Grundkonzeption des Filmes, über Rhythmus, über Stil. Wir denken das alles im Vorfeld möglichst genau, dann können wir beim Drehen intuitiv und präzise arbeiten.
Ich will Filme machen, die den Zuschauer nicht mit Effekten manipulieren. Mein Stil, die Form meiner Filme, an der ich immer weiter arbeite, hat Einfachheit und Klarheit zum Ziel. Das scheint nicht spektakulär, es ist aber schwierig zu machen und ich glaube, das hat letztlich die größte Kraft. Ich finde überhaupt, dass in der Form von Filmen ihre Individualität liegt, und in der Individualität die eigentliche Schönheit. Nicht in der „Moral“ oder der „Kritik“ oder dem eitlen Hantieren mit dem „Können“. 

Die Arbeit mit den Schauspielern

Schauspiel ist dann am Höhepunkt, wenn es Lebendigkeit mit Genauigkeit verbindet. Ich versuche den Schauspielern dabei zu helfen, sie dorthin zu führen. Schauspieler sind verschieden, der Weg ist für jeden anders. Ich hab deshalb nicht eine Methode, sondern verschiedene. Je nachdem.

Vorbereitungen

Irina Potapenko hat einige Nächte „inkognito“ in einem Bordell verbracht, mit Kunden Sekt getrunken, an der Stange getanzt, die Arbeit der Prostituierten kennen gelernt. Andreas Lust hat fast eine Woche in Gföhl auf dem Polizeiposten verbracht, Alkoholkontrollen durchgeführt, eine Schießausbildung erhalten, die Polizisten und ihr Leben kennen gelernt. Johannes Krisch ist nächtelang mit dem Fahrer eines Bordells durch die Stadt gefahren. Dieses Wissen bringen die Schauspieler dann wieder in die Geschichte, in ihre Figuren ein. Das Ergebnis ist eine andere Sicherheit und Selbstverständlichkeit in ihrem Spiel: nahe am Leben, authentisch.

Das "Happy End" des Films

Die Figuren erleben kein Happy End. Wozu auch? Das ist Kitsch, daran kann man sich kurzfristig berauschen, und am nächsten Tag ist alles so wie immer. Ich glaube aber daran, dass bei allen Schrecknissen, die in der Welt passieren, bei allen Problemen und Konflikten das Leben richtig ist, so wie es ist. Deshalb interessiert mich nur eine Kunst, die lebensbejahend ist. Das genau ist ihre Kraft und Notwendigkeit. Darin geht sie über den Verstand hinaus.